Enkaustik
Geschichte
Die Enkaustikmalerei wurde bereits im 5. Jahrhundert vor Christus. von griechischen Künstlern praktiziert.
Wachs ist ein ausgezeichnetes Konservierungsmittel für Materialien. Die Griechen trugen Beschichtungen aus Wachs und Pech auf, um ihre Schiffe wetterfest zu machen. Die Pigmentierung des Wachses führte zur Dekoration von Kriegs- und Handelsschiffen. Die Verwendung einer rudimentären Enkaustik war in der klassischen Periode (500-323 v. Chr.) eine gängige Praxis. Möglicherweise wurde zu dieser Zeit, die mit Teerpinseln auf die Schiffe aufgetragene grobe Farbe für die Tafelmalerei verfeinert.
Das meiste Wissen über diese frühe Verwendung stammt von dem römischen Historiker Plinius dem Älteren. Nach Plinius fand die Enkaustik eine Vielzahl von Anwendungen: für die Bemalung von Porträts und mythologischen Szenen auf Tafeln, für die Einfärbung von Marmor und Terrakotta und für Arbeiten auf Elfenbein (wahrscheinlich die Einfärbung von eingeritzten Linien).
Die Fayum Portraits
Die vielleicht bekanntesten Enkaustik-Arbeiten sind die Fayum-Porträts
Porträts, die im 1. und 2. Jahrhundert n. Chr. von griechischen Malern in Ägypten gemalt wurden. Nach der Eroberung Ägyptens durch Alexander hatte sich eine bedeutende griechische Bevölkerung dort niedergelassen, die schließlich die Praxis der Mumifizierung ihrer Toten übernahm.
Die Porträts, die entweder in der Blütezeit des Lebens oder nach dem Tod gemalt wurden, wurden über der Mumie der Person als Gedenkstätte angebracht. Der Brauch der Grabporträts begann erst nach der Eroberung Ägyptens durch Rom und dauerte etwa zwei Jahrhunderte an. Die Porträts zeigen den konvergierenden Einfluss des ägyptischen religiösen Rituals, der griechischen Ästhetik und der römischen Mode und sozialen Stellung. Viele dieser Werke haben bis in unsere Zeit überlebt, und ihre Farben sind so frisch geblieben wie bei jedem kürzlich fertiggestellten Werk.
Die große wirtschaftliche Instabilität, die auf den Niedergang des Römischen Reiches folgte, und der Wandel der kulturellen Werte führten dazu, dass die Enkaustik nicht mehr verwendet wurde. Einige Enkaustikarbeiten, insbesondere die Ikonenmalerei, wurden noch bis ins 7. Jahrhundert fortgeführt, aber größtenteils ging sie verloren. Sie wurde durch die Temperamalerei ersetzt, die billiger, schneller und weniger anspruchsvoll in der Verarbeitung war.
Enkaustik und Tempera
Die Enkaustik auf Tafeln konkurrierte mit der Temperamalerei bei den frühesten bekannten tragbaren Staffeleigemälden. Tempera war ein schnelleres und billigeres Verfahren. Die Enkaustik war eine langwierige Technik, aber die Farbe konnte reliefartig aufgebaut werden, und das Wachs verlieh dem Pigment einen reichen optischen Effekt. Diese Eigenschaften machten das fertige Werk verblüffend naturgetreu. Darüber hinaus war Enkaustik weitaus haltbarer als Tempera, die anfällig für Feuchtigkeit war. Plinius verweist auf mehrere hundert Jahre alte Enkaustikgemälde im Besitz römischer Aristokraten seiner Zeit.
Enkaustik und Bildhauerei
Wir wissen, dass der weiße Marmor, den wir heute in den Denkmälern der griechischen Antike sehen, einst kühn oder zart gefärbt war und dass Wachs verwendet wurde, um den Marmor zu konservieren und zu veredeln (siehe „Polychromie in der griechischen Bildhauerei“ unten).
Es gibt nur wenige literarische Belege dafür, wie dies geschah. Die Figuren auf dem Alexandersarkophag im archäologischen Museum von Istanbul sind ein Beispiel für eine solche Färbung, obwohl nicht klar ist, wie intensiv die ursprüngliche Farbe war.
Wahrscheinlich wurden unterschiedliche Methoden zur Färbung des Marmors verwendet. Sie können mit Enkaustik oder mit Tempera bemalt und mit geschmolzenem Wachs „lackiert“ worden sein.
Eine Terrakotta-Kratervase aus dem 4. Jahrhundert v. Chr. im Metropolitan Museum zeigt einen Maler, der Enkaustik auf eine Herakles-Skulptur aufträgt, während sein Diener Metallspatel auf einem Holzkohlebecken erhitzt.
Die Rückkehr der Enkaustik
Die Wurzeln der modernen Enkaustikmalerei gehen auf das 18. Jahrhundert zurück, als Antiquitätenhändler, angeregt durch die archäologische Entdeckung der verschütteten Städte Pompeji und Herculaneum, die Techniken der antiken Maler wiederentdeckten. Im 19. Jahrhundert wurde die Enkaustik weiter erforscht, um das Problem der Feuchtigkeit zu lösen, mit dem die Wandmaler in nördlichen Klimazonen konfrontiert waren. Obwohl sich diese Technik nicht durchsetzte, gab es einige erstaunliche Erfolge, wie die Wandmalereien von John LaFarge für die Trinity Church in Boston.
In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts machte die Erfindung tragbarer elektrischer Heizgeräte die Enkaustik zu einer weit weniger anspruchsvollen Technik. Zahlreiche Künstler experimentierten mit dieser Technik und wandten sie in ihren individuellen Stilen an. Robert Delaunay, Antoine Pevsner, Diego Rivera, Rifka Angel, Karl Zerbe und Victor Brauner waren frühe Vertreter der wiederbelebten Technik.
Alfonso Ossorio, Jasper Johns, Lynda Benglis, Robert Morris, Nancy Graves, Mia Westerlund Roosen und Robert Rauschenberg gehören zu den zahlreichen Künstlern, die die Enkaustik zu einem modernen und interdisziplinären Medium machten und ihre Verwendung von der Malerei auf die Collage, die Assemblage, die Skulptur und die Druckgrafik ausdehnten.
Zeitgenössische Enkaustik
In den 1940er Jahren wurde die Enkaustik kommerziell verfügbar. In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts erlebte die Enkaustikmalerei einen weiteren Aufschwung, der zum Teil durch die Verfügbarkeit kommerzieller Enkaustikfarben vorangetrieben wurde, die erstmals Ende der 1940er Jahre von Torch Art Supplies in New York City angeboten wurden.
In der Enkaustiktechnik arbeiten wir mit einem Malmedium, das sich aus Bienenwachs und Dammarharz zusammensetzt. Der Hauptbestandteil ist Bienenwachs, das mit 62 – 65°C einen relativ tiefen Schmelzpunkt aufweist. Würde man mit reinem Bienenwachs arbeiten, könnte das Bild bei starker Sonneneinstrahlung tatsächlich weich werden, und im schlimmsten Fall schmelzen. Das gleiche Problem hat man, wenn man mit Paraffinwachs arbeitet. Bei diesem Wachs liegt der Schmelzpunkt noch tiefer (45°C).
Durch die Beimischung von Dammarharz in das Enkaustikmedium erhöht sich dessen Schmelzpunkt auf rund 92°C, und ist dadurch sehr viel stabiler. Wie die Fayum Portraits aus dem 1. und 2. Jahrhundert vor Chr. beeindruckend beweisen, sichert dieses Medium die Farbe über Jahrtausende.
Reine Enkaustikarbeiten
Das Enkaustikmedium kann sehr vielfältig eingesetzt, und mit anderen Materialien kombiniert werden. In der klassischen Enkaustik werden reine Wachsbilder gemalt, die aus unzähligen, einzeln übereinandergelegten Wachsschichten bestehen. Zur Verarbeitung auf dem Bild wird die Enkaustikfarbe geschmolzen und in flüssiger Form mit einem Pinsel aufgetragen. Die Farbe erhärtet mehr oder weniger unmittelbar nach dem Auftrag auf dem Untergrund, weshalb zügig gearbeitet werden muss.
Damit diese Arbeiten stabil sind, müssen die einzelnen Wachsschichten nach dem Auftrag jeweils wieder leicht erwärmt werden. Das geschieht entweder mit einem Bunsenbrenner, oder einem Heissluftföhn.
Wachs ist auch ein ausgezeichnetes Material, wenn man gerne mit Strukturen arbeitet. Anders als die meisten erwarten, ist es sehr einfach Strukturen zu schaffen. Viel anspruchsvoller ist es, über den Auftrag vieler einzelner Wachsschichten eine glatte Oberfläche erstellen zu können, die für die erfolgreiche Umsetzung zum Beispiel einer Transfertechnik Voraussetzung ist. Eine glatte Oberfläche zu erzielen, braucht Übung, Erfahrung und Fingerspitzengefühl.
Reine Enkaustikarbeiten sind demnach Bilder, die vorwiegend mit Enkaustikmedium und Enkaustikfarben gemalt worden sind.
Mixed Media Enkaustik
Wachs wirkt konservierend, und so können auch Gegenstände in die Arbeiten eincollagiert werden. Natürliche Materialien wie z.B. Blätter, Muscheln und Sande, aber auch Fotografien oder Papier können sehr gut in Enkaustikarbeiten eingearbeitet werden.
Kombiniert, und zwischen den einzelnen Wachsschichten verwenden werden kann das Enkaustikmedium mit allen wasserlöslichen Medien, wie Aquarell, Tusche, Beizen, Gouache oder Kreidefarbe. So tun sich unzählige neue Gestaltungs- und Ausdrucksmöglichkeiten auf.
Viele Mixed Media Künstler:innen verwenden insbesondere Paraffin oder eigens hergestellte Mischungen aus mikrokristallinen Industriewachsen, Bienenwachs und Carnaubawachs in Kombination mit der Acryl. Der künstlerischen Freiheit sind keine Grenzen gesetzt und das ist durchaus möglich, hat aber nichts mit der «Enkaustik» zu tun, so wie ich sie verstehe und in den USA kennen gelernt habe. Schwierig wird diese Kombination insbesondere, wenn viele Wachsschichten übereinander auf einem Acryluntergrund angelegt werden. Da diese beide Materialien keine stabile Verbindung miteinander eingehen können, und sich daher das Wachs mit der Zeit aus dem Bild herausbrechen kann.
Enkaustik mit dem Maleisen
Anders als in den USA hat sich insbesondere in Europa eine spezielle Art der Wachsmalerei entwickelt, die sich ebenfalls Enkaustik nennt, jedoch mit der klassischen Enkaustik, von der hier die Rede ist, nicht viel gemeinsam hat.
Als Medium verwendet wird meist reines Bienenwachs – ohne Zusatz von Dammarharz – oder Stockmar Wachsblöcke, die mit einem Maleisen geschmolzen und damit im Bild angebracht werden.
Gezeigt wird hier eine solche Arbeit mit freundlicher Genehmigung von Ilona Müller.